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BUCH MORMON, REGIERUNG UND RECHTSGESCHICHTE IM

Da das Buch Mormon sich auf religiöse Themen konzentriert, erscheinen Informationen über politische und gesetzliche Institutionen nur als Hintergrund für den religiösen Bericht. Selbst dann ist offensichtlich, dass mehrere verschiedene politische Institutionen die nephitische, lamanitische und jareditische Gesellschaft kennzeichneten.

Die Nephiten wurden von 550 bis 91 vor Christus von Königen in Erbfolge regiert. Darauf änderte sich die Herrschaft und sie wurden von Richtern regiert. Nach dem Kommen Christi herrschte unter der Leitung seiner Kirche zwei Jahrhunderte lang Frieden. Es folgte ein Zusammenbruch der Gesellschaft in Stammeseinheiten und schließlich die Zerstörung der Nephiten.

Von Anfang an basierte das nephitische Rechtssystem auf dem Mosaischen Gesetz. In den Schriften lesen wir, wie das Recht in Israel womöglich im siebten Jahrhundert vor Christus praktiziert wurde und wie es mit der Zeit bis zum Kommen Jesu Christi (geringfügig) abgeändert wurde. Wie es die nephitischen Propheten schon lange vorhergesagt hatten (2 Ne. 25:24), erfüllte Jesus das Gesetz des Mose. Nach dem Kommen Christi bestand das nephitische Gesetz aus den Geboten Christi.

REGIERUNG. Nachdem Lehi seine Familie und einige andere aus Jerusalem geführt hatte, gründete er seine Kolonie in der westlichen Hemisphäre als einen Zweig Israels in einem neuen Verheißenen Land. Aber die Organisation war von Natur aus unstabil, denn es gab anscheinend keinen klaren Grundsatz für das Lösen von politischen Auseinandersetzungen. Die sieben Abstammungsgruppen, die bei Lehis Tod entstanden und durchweg im Buch Mormon erwähnt werden, waren die Nephiten, Jakobiten, Josephiten, Zoramiten, Lamaniten, Lemueliten und Ischmaeliten (Jak 1:13, 4 Ne. 1:36-38, Morm. 1:8, Welch, 1989, S. 69). Als dieses System sich unfähig erwies, den Frieden aufrecht zu erhalten, führte Nephi I die ersten vier dieser Familiengruppen, die an die Offenbarungen Gottes glaubten, hinweg. Er errichtete eine neue Stadt und akzeptierte die Stellung eines nephitischen Königs durch Volksabstimmung. Die anderen drei Gruppen entwickelten mit der Zeit ein Monarchiesystem, wo ein Lamanitenkönig von anderen ischmaelitischen, lamanitischen und lemuelitischen Vasallenkönigen Tribut empfing.

Diese ursprüngliche Aufteilung gibt das politische Grundthema für einen Großteil der Geschichte der Nephiten und Lamaniten an. Laman und Lemuel waren Lehis älteste Söhne. Sie beanspruchten natürlicherweise ein Recht auf Herrschaft. Aber ein jüngerer Bruder, Nephi, wurde vom Herrn als ihr Herrscher und Lehrer erwählt (1 Ne. 2:22). Nephis Schilderung dieser frühen Geschichte wurde teilweise zu dem Zweck geschrieben, seine Berufung als Herrscher zu dokumentieren (Reynolds). Der Streit um das Recht zu herrschen fuhr fort und bot größtenteils die rhetorische Grundlage für die sich Jahrhunderte später wiederholenden Kriege zwischen den Lamaniten und Nephiten.

Vielleicht war die Ideologie der nephitischen Monarchie wegen der kontroversen Umstände, unter denen sie eingerichtet wurde, von Anfang an klar. Nephitenkönige waren vom Volk anerkannt (2 Ne. 5:18). Sie hatten einen Tempel als religiöses Zentrum (2 Ne. 5:16) und unternahmen alle Anstrengungen, altehrwürdige Symbole eines Königtums von Gottes Gnaden im Schwert Labans, dem Liahona und alten Aufzeichnungen zu erhalten (2 Ne. 5:12-14, siehe weiter Ricks).

Nur der erste nephitische König (Nephi I) und die letzten drei Könige (Mosia I, Benjamin und Mosia II) werden im Buch Mormon genannt. Diese vier Könige dienten als militärische Führer und Propheten. Sie arbeiteten eng mit anderen Propheten zusammen, um die Menschen an ihre Pflichten zueinander und Gott gegenüber zu erinnern. Zum Beispiel verkündete König Benjamin in seiner letzten Ansprache an sein Volk eine Offenbarung von Gott und verpflichtete das Volk, den Namen Christi auf sich zu nehmen und die Gebote Gottes und des Königs zu halten.

Einige Nephitenkönige waren unrechtschaffen. Noa, ein König einer der nephitischen Untergruppen (vom Volk Zeniff), nutzte die Schwächen des nephitischen Systems aus. Er unterhielt sich selbst und seinen Rat durch die Arbeit des Volkes und führte ein lockeres Leben. Zweifel über die Monarchie wurden akut, als die Unterdrückung durch Noa dem Großteil der nephitischen Bevölkerung bekanntgemacht wurde. König Mosia II löste die Nachfolgekrise, als seine Söhne die Königsherrschaft ablehnten, indem er vorschlug, die Monarchie in ein System von niedrig- und höherrangigen Richtern umzuändern. Diese Regierungsform wurde vom Volk im Jahre 91 vor Christus akzeptiert (Mosia 29) und dauerte trotz mehrerer Krisen und Korruption ungefähr einhundert Jahre. Obwohl die Position des obersten Richters weiterhin eine militärische und religiöse Vorrangstelle innehatte und häufig vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde, war dies anders als das monarchistische Muster, weil die höherstehenden Richter von niedrigeren Richtern gerichtet werden konnten, falls sie das Gesetz übertraten oder das Volk unterdrückten (Mosia 29:29).

Alma II wurde der erste oberste Richter und diente gleichzeitig als Hoherpriester, Gouverneur und militärischer Oberbefehlshaber. Da diese Positionen die Zustimmung des Volkes erforderten, das die Monarchie abgelehnt hatte, haben Kritiker dazu tendiert, das nephitische System mit der Demokratie der Vereinigten Staaten zu verwechseln. Jedoch gab es keine repräsentative Legislatur, die eine wesentliche Einrichtung in der Ideologie der amerikanischen Republik ist. Auch gingen die größeren Posten gewöhnlich ohne Wahlen vom Vater auf den Sohn über (Bushman, S. 14-17). „Die Stimme des Volkes“ autorisierte oder bestätigte laut den Berichten oftmals Ernennungen zu Führerschaftspositionen und andere zivile oder politische Aktionen.

Es hat den Anschein, dass die Nephiten während der ersten zwei Jahrhunderte nach dem Kommen Christi in einem geistlichen System ohne Richter oder Könige mit Gerichtshöfen, die nur aus Kirchenältesten bestanden, handelten (4 Ne. 1:1-23, Moro. 6:7). Durch den schließlichen geistigen Abfall und Zusammenbruch der nephitischen Kirche waren keine zivilen Einrichtungen vorhanden, die Recht und Ordnung aufrecht erhalten konnten. Versuche, öffentliche Angelegenheiten durch Wiedereinführung eines Stammessystems und später durch Militärherrschaft zu organisieren und wahrzunehmen, konnten die letztendliche Zerstörung der Zivilisation nicht verhindern.

Das Buch Mormon bietet auch eine kurze Schilderung der Jarediten, einer viel früheren Zivilisation, die zur Zeit des Turmbaus von Babel ihren Anfang nahm und durchweg eine Monarchie war. Jareditische Könige scheinen Selbstherrscher gewesen zu sein. Die Nachfolge wurde öfter durch politisches und militärisches Abenteurertum bestimmt als durch Rechtsvorgänge.

RECHT. Bis zum Kommen Christi befolgten die Nephiten und bekehrten Lamaniten strikt das Gesetz des Mose, wie sie es kannten und verstanden (2 Ne. 5:10, 25:24-26, Jarom 1:5, Jacob 4:4-5, Alma 25:15, 30:3, Hel. 13:1, 3 Ne. 1:24-25). Das Gesetz des Mose ist auf den Messingtafeln erhalten und war die Basis für ihr Straf- und Zivilrecht, und auch für die Reinheitsregeln, das Opfern im Tempel und das Einhalten von Festtagen unter den Nephiten. Sie wussten allerdings, dass das Gesetz des Mose im zukünftigen messianischen Zeitalter abgelöst werden würde (2 Ne. 25:24-27).

Neuere Veröffentlichungen (Welch, 1984, 1987, 1988, 1989, 1990) haben eine reiche Vielfalt an Rechtsinformationen im Text des Buches Mormon identifiziert. Vorgangsweisen und administrative Aspekte des nephitischen Rechts entwickelten sich von einem Jahrhundert zum anderen, während sich die Substanz des Gewohnheitsrechtes sehr wenig veränderte. Nephitische Führer scheinen die neue Gesetzgebung als dreist und allgemein böse (Mosia 29:23) und jede Veränderung von Gottes Gesetz ohne Vollmacht als Gotteslästerung angesehen zu haben (Jakob 7:7). Ihre religiösen Gesetze umfassten viele humanitäre Vorkehrungen und Schutzregelungen für Personen und ihre religiöse Freiheit und persönlichen Besitz. Diese Regeln gründeten auf einem starken Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Alma 1:32; 16:18; Hel. 4:12).

In zwei früheren Vorfällen war Jakob, der Bruder Nephi I, in Kontroversen über das Gesetz verwickelt. Beim ersten Vorfall ging es um das beanspruchte Recht einiger Nephiten, Konkubinen zu haben (Jakob 2:23-3:11). Und die zweite Auseinandersetzung entstand, als Scherem Jakob der Entweihung des mosaischen Gesetzes beschuldigte (Jakob 7:7).

Das Gerichtsverfahren gegen Abinadi (Mosia 11-17) zeigt, dass zumindest im Falle Noas der König die Gerichtsbarkeit in politischen Angelegenheiten hatte, aber in religiösen Belangen Rat von einer Priestergruppe annahm: Der Klagegrund gegen Abinadi war, dass er den Herrscher verflucht, ein falsches Zeugnis abgegeben, eine falsche Prophezeiung gemacht und Gotteslästerung verübt hatte (Mosia 12:9-10, 14, 17:7-8, 12). Gesetzesstrafen im Buch Mormon waren oft so konzipiert, dass sie zur Art des Verbrechens passten. So wurde Abinadi dafür verbrannt, dass er den König geschmäht hatte, von dem er behauptet hatte, dass sein Leben so viel wert sein würde wie ein Kleid in einem heißen Ofen (Mosia 12:3, 17:3).

Zu der Zeit als die Nephiten die Monarchie abschafften, führte Mosiah II eine große Reform des nephitischen Verfahrensrechts durch. Ein System mit Richtern und anderen Beamten wurde eingerichtet. Niedrigere Richter wurden von höher gestellten Richtern gerichtet (Mosia 29:28), Richter wurden für ihre Zeit im öffentlichen Dienst bezahlt (Alma 11:3), ein Standardsystem von Gewichten und Maßeinheiten wurde eingeführt (Alma 11:4-19), Die Sklaverei war offiziell verboten (Alma 27:9) und in Verzug geratene Schuldner sahen sich der Verbannung ausgesetzt (Alma 11:2). Es gab Beamte (Alma 11:2) und Anwälte, die halfen, aber ihre offiziellen Funktionen sind nicht klar. Es scheint, dass nur gewöhnliche Bürger die Macht hatten, einen Fall vor Gericht zu bringen (sonst wären die Richter gegen Nephi II in Helaman 8:1 vorgegangen).

Das Gerichtsverfahren für Nehor war ein wichtiger Präzedenzfall und zeigt die absolute und ursprüngliche Jurisdiktion des Obersten Richters (Alma 1:1-15). Anscheinend sollten gemäß den Bedingungen in Mosia 29 die höheren Richter nur richten, wenn die niedriger gestellten Richter falsch gerichtet hatten. Aber in dem Gerichtsverfahren gegen Nehor übernahm Alma II den Fall direkt und verstärkte so die Macht des Obersten Richters.

Die Reform schützte auch die Glaubensfreiheit, aber bestimmte unverhohlene Verhaltensweisen wurden bestraft (Alma 1:17-18, 30:9-11). Der Fall Korihor erstellte die Regel, dass bestimmte Formen der Rede (Blasphemie, Menschen zur Sünde anspornen) selbst nach der Reform Mosias nach dem nephitischen Gesetz strafbar waren.

Die ganze Zeit hindurch verblieb das unterliegende nephitische Recht das des Mose, wie es im Licht der Evangeliumskenntnis interpretiert wurde. Öffentliche Erlasse enthielten genaue Verbote in Bezug auf Mord, Plünderung, Diebstahl, Ehebruch und alle Arten von Missetaten (Mosia 2:13, Alma 23:3). Mord war als „vorsätzliches Töten“ (2 Ne. 9:35) definiert, was Fälle ausschloss, wo niemand jemandem auflauerte (über Labans Ermordung durch Nephi siehe weiter Ex. 21:13-14 und 1 Ne. 4:6-18). Diebstahl war typischerweise ein Vergehen. Aber Raub war ein Kapitalverbrechen (Hel. 11:28), gewöhnlich von organisierten Außenseitern und gewalttätigen und politisch motivierten Straßenräubern verübt, denen man Militärgewalt entgegenstellte (wie es im Nahen Osten des Altertums typisch war).

Offenischtlich wurden technische Grundsätze des Gesetzes des Mose in der nephitischen Zivilisation konsequent befolgt. Zum Beispiel zeigt die gesetzliche Lösung eines Mordes ohne Zeugen im Falle Seantums in Helaman 9, dass die Nephiten eine technische Ausnahme in der Regel gegen Selbstbelastung auf dieselbe Weise anerkannten, wie es spätere jüdische Juristen taten—wenn zum Beispiel Wahrsagerei ein Beweisstück zu Tage brachte (Welch, Febr. 1990). Die Hinrichtung Zemnarihachs durch die Nephiten wies auf einen unbedeutenden Punkt hin, der sich in späteren jüdischen Gesetzen zeigt. Dieser Punkt erforderte es, dass der Baum, an dem ein Verbrecher gehängt wurde, gefällt werden musste (3 Ne. 4:28, Welch, 1984). Der Fall der Ausnahme der Ammoniten von der Militärpflicht deutet an, dass das rabbinische Verständnis von Deuteronomium 20 in dieser Hinsicht wahrscheinlich dem der Nephiten entsprach (Welch, 1990, S. 63-65).

Man kann auch aus Indizienbeweisen schließen, dass die Nephiten die traditionellen rituellen Gesetze der israelitischen Festtage beachteten. Ein Beispiel ist vielleicht die Versammlung von Benjamins Volk in Zelten um den Tempel und Turm herum, von dem aus er sprach. Einiges in dem Bericht ähnelt den Neujahrsfestlichkeiten um die Zeit des Laubenfestes und dem Tag der Versöhnung (Tvedtnes, in Lundquist und Ricks, By Study and Also by Faith, Salt Lake City, 1990, 2:197-237).

Mit dem Kommen des auferstandenen Christus—verzeichnet im 3. Nephi—war das Gesetz des Mose erfüllt und erhielt eine neue Bedeutung. Die zehn Gebote fanden in einer neuen Form immer noch ihre Anwendung (3 Ne. 12). Die „Verrichtungen und Verordnungen des Gesetzes“ waren nun überholt (4 Ne. 1:12), aber nicht das „Gesetz“ oder die „Gebote“, wie Jesus sie im 3. Nephi 12-14 neu formuliert hatte.

BIBLIOGRAPHIE

Bushman, Richard L. „The Book of Mormon and the American Revolution“. BYU Studies 17 (Herbst 1976):3-20.
Reynolds, Noel B. „The Political Dimension in Nephi's Small Plates“. BYU Studies 27 (Herbst 1987):15-37.
Ricks, Stephen D. „The Ideology of Kingship in Mosiah 1- 6“. F.A.R.M.S. Update, Aug. 1987.
Welch, John W. „The Execution of Zemnarihah“. F.A.R.M.S. Update, Nov. 1984.
Welch, John W. „The Law of Mosiah“. F.A.R.M.S. Update, März 1987.
Welch, John W. „Statutes, Judgments, Ordinances and Commandments“. F.A.R.M.S. Update, Juni 1988.
Welch, John W. „Lehi's Last Will and Testament: A Legal Approach“. In The Book of Mormon: Second Nephi, the Doctrinal Structure, ed. M. Nyman and C. Tate, S. 61-82. Provo, Utah, 1989.
Welch, John W. „The Case of an Unobserved Murder“. F.A.R.M.S. Update, Febr. 1990.
Welch, John W. „Law and War in the Book of Mormon“. In Warfare in the Book of Mormon, Hg. S. Ricks und W. Hamblin, S. 46-102. Salt Lake City, 1990.

NOEL B. REYNOLDS