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ABTRÜNNIGE GEMEINSCHAFTEN

Wie von anderen größeren Religionsgemeinschaften hat sich auch von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage eine Reihe unzufriedener Mitglieder abgesondert. Einige davon haben wiederum weitere Mitglieder dazu überredet, eigene Organisationen zu gründen, die sich auf unterschiedliche Auslegungen der Lehren Joseph Smiths berufen. So sind etwa 130 solcher Gruppen entstanden, aber nur wenige haben länger als zehn Jahre bestanden.

Die erste Gemeinschaft war die Reine Kirche Christi (“Pure Church of Christ”) <Reine Kirche Christi>, die 1831 von Wycam Clark <Clark, Wycam>, Northrup Sweet <Sweet, Northrup> und anderen gegründet wurde. Clark behauptete, Joseph Smith sei ein falscher Prophet, er aber sei der wahre Führer der Kirche. Diese Gruppe hielt nur zwei oder drei Versammlungen ab und löste sich dann auf.

Die größte abtrünnige Gemeinschaft war die Kirche Christi (“Church of Christ”) <Kirche Christi>, die Warren Parrish <Parrish, Warren> 1837, ebenfalls noch zu Lebzeiten Joseph Smiths in Kirtland im Bundesstaat Ohio gründete. Einige Monate davor war Warren Parrish beschuldigt worden, Gelder der Bank der Kirche, der Kirtland Safety Society <Kirtland Safety Society>, unterschlagen zu haben und war aus der Kirche ausgeschlossen worden. Parrish behauptete, Joseph Smith habe seine göttliche Berufung als Kirchenführer verloren und ernannte sich selbst zum Oberhaupt der Kirche. Drei Mitglieder des Kollegiums der Zwölf Apostel, einige Präsidenten der Siebziger und etliche andere einflußreiche Führer, die sich von 1837–1838 während der Wirtschaftskrise in Kirtland von Joseph Smith abgewendet hatten, unterstützten Parrish. Diese Gruppe brach innerhalb von einem Jahr in sich zusammen (CHC 1:403–407).

Nach dem Tod Joseph Smiths im Jahre 1844 entstanden mehrere neue Gruppen, die sich durch den Verlust des Führers der Kirche eigene Vorteile versprachen. Unter diesen befanden sich Männer, die darin übereinstimmten, daß Joseph Smith zwar ein wahrer Prophet gewesen sei, die jedoch einige seiner Lehren und Verordnungen ablehnten. Sie fragten sich nun, wer ihn ersetzen solle.

Der Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, Sidney RIGDON <Rigdon,Sidney> gehörte zu den ersten, die die Führung beanspruchten. Er wies die Heiligen darauf hin, daß es keinen Nachfolger von Joseph Smith geben könne und daß deshalb er als Geschäftsführer der Kirche eingesetzt werden müsse, damit er den Namen des ermordeten Propheten und seinen künftigen Ruf groß machen könne. Die meisten Mitglieder verwarfen seinen Anspruch und unterstützten Brigham YOUNG <Young,Brigham> und das Kollegium der Zwölf Apostel. Rigdon wurde ausgeschlossen und kehrte nach Pittsburgh, Pennsylvanien zurück, wo er die Kirche Christi (“Church of Christ”) <Kirche Christi> gründete, die aber nur zwei Jahre lang bestand. 1863 organisierte er die Kirche Jesu Christi der Kinder Zions <Kirche Jesu Christi der Kinder Zions>, die sich bis gegen 1880 hielt.

Im August 1844 zeigte James J. Strang <Strang, James J.>, der ein paar Monate vor dem Tod Joseph Smiths bekehrt worden war, einen Brief herum, der angeblich von Joseph Smith stammen sollte und in dem dieser Strang eingesetzt hätte, die Herde zu leiten (siehe: FÄLSCHUNGEN HISTORISCHER DOKUMENTE). Er behauptete auch, daß ihm kurz nach Joseph Smiths Märtyrertod ein Engel erschienen sei, der ihn zu seiner Berufung ordiniert hätte. Strang wurde sofort ausgeschlossen. Wenige Wochen später zog er mit einer Gruppe von Anhängern nach Voree im Bundesstaat Wisconsin und bezeichnete dies als den neuen Ort, an dem sich die Kirche sammeln solle. Zu seinen Anhängern zählten zwei Apostel, John E. Page <Page, John>, William Smith <Smith, William>, der jüngere Bruder Joseph Smiths, und William Marks <Marks, William>, der vormalige Präsident des Pfahles Nauvoo. Auf kurze Zeit begleitete Martin HARRIS <Harris, Martin; Mission in England> einen Führer der Gemeinschaft auf eine Mission nach England.

Strang zog mit seiner Gruppe auf die kleine Beaver-Insel im Michigan-See und ließ sich dort 1850 in einer aufwendigen Zeremonie zum König krönen. Er gründete eine Theokratie, die mit etwa 3.000 Mitgliedern bis zum Ende des Jahrzehnts florierte. Strang praktizierte die MEHREHE. Am 16. Juni 1856 wurde er von zwei Mitgliedern einer Gruppe von Verschwörern hinterrücks angeschossen und starb elf Tage später, ohne einen Nachfolger ernannt zu haben. Seine Gemeinschaft wurde von Einheiten des Bundes und des Staates aufgelöst und gewaltsam von der Insel entfernt. Ein kleiner Rest der Strang-Gemeinde existiert noch heute in den Bundesstaaten Wisconsin, Michigan, Colorado und New Mexiko (Van Noord, S. 48–177; 233–266; Lewis, S. 274–291).

Zu Beginn der fünfziger Jahre begann sich eine größere abtrünnnige Gemeinschaft zu organisieren. Ehemalige Anhänger von James Strang, darunter William Marks, Jason Briggs <Briggs, Jason> und Zenas H. Gurley <Gurley, Zenas H.> versammelten sich 1850, um einen neuen Führer zu ernennen. Briggs und Gurley hatten William Smiths Gruppe angehört, die sich 1846 nach dem Ausschluß von William Smith aus der Strang-Gemeinschaft als Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bezeichnet hatte. Marks, Briggs und Gurley kamen zu dem Schluß, daß die Nachfolge in der Kirche vom Vater auf den Sohn übertragen werden müsse. Sie warben intensiv Anhänger unter Mormonen und abgefallenen Mormonen im Mittelwesten an, die gleicher Auffassung waren und bekehrten einige von ihnen. Sie organisierten sich am 12. und 13. Juni 1852 in Beloit, Wisconsin. 1853 hielten sie eine Konferenz ab und wählten Apostel. 1859 nahm Joseph Smith III. <Smith, Joseph III.> offiziell die Berufung zum Propheten und Präsidenten an, und im April 1860 organisierte sich die Gruppe offiziell unter der Bezeichnung Reorganisierte Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage <Reorganisierte Kirche, offiziell gegründet>. Die meisten unmittelbaren Angehörigen des Propheten Joseph Smith schlossen sich der Gemeinschaft an, und bis heute sind viele seiner Nachfolger aktive Mitglieder (Launius, S. 77–139).

Andere Gruppen entfernten sich während der Amtszeit von Brigham Young in Utah von der Kirche, unter anderen die Godbeiten (“Godbeites”) <Godbeiten>, die William S. Godbe <Godbe, William> 1868 gründete. Einige Jahre zuvor hatten sich Godbe, E.L.T. Harrison <Harrison, E.L.T.>, Edward W. Tullidge <Tullidge, Edward W.>, Eli B. Kelsey <Kelsey, Eli B.>, William H. Shearman <Shearman, William H.> und andere unzufriedene Geschäftsleute und Intellektuelle von der Kirche abgesetzt, um gegen die von Brigham Young vertretene eigenständige Wirtschaftspolitik zu protestieren. Godbe und seine Gruppe traten für eine weniger streng strukturierte Gesellschaft, eine Freihandelszone im Utah-Territorium und für freien Handel mit der Außenwelt ein. Sehr bald protestierten sie jedoch nicht nur gegen die Wirtschaftspolitik, sondern verwarfen auch die Lehren und Verordnungen der Kirche. Sie lehnten den gesamten theologischen Aufbau der Kirche ab mitsamt deren Anspruch auf einen einzigen Propheten sowie von der Kirche ausschließlich anerkannte Heilige Schriften. Sie verkündeten die allgemeine Bruderschaft der Menschheit und die allumfassende Liebe Gottes. Das führte zu ihrer Verbindung mit der spiritistischen Bewegung, die im 19. Jahrhundert besonders populär war. Sie nahmen an spiritistischen Sitzungen teil und glaubten, sie hätten mit verstorbenen Mitgliedern der Kirche, Jesus Christus und den Aposteln der Urkirche Kontakt aufgenommen. Am 25. Oktober 1869 schloß der Hohe Rat des Pfahles Salt Lake Godbe und Harrison aus der Kirche aus. Andere wurden später ebenfalls ausgeschlossen. 1870 gründeten sie die Kirche Zions (“Church of Zion”) <Kirche Zions>, eine Organisation, die sich aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen offen gegen die Kirche wandte und die Salt Lake Tribune Tageszeitung gründete. Die Bewegung zog kaum neue Mitglieder an und starb 1880 aus (Walker, 1974, 1982).

Weitere Splittergruppen entstanden von Zeit zu Zeit, besonders als die Kirche 1890 die Mehrehe aufgab.

BIBLIOGRAPHIE

Anderson, C. LeRoy. For Christ Will Come Tomorrow: The Saga of the Morrisites. Logan, Utah, 1981.

Carter, Kate B. Denominations That Base Their Beliefs on the Teachings of Joseph Smith. Salt Lake City, 1969.

Launius, Roger D. Joseph Smith III: Pragmatic Prophet. Urbana, Illinois, 1988.

Lewis, David Rich. “‘For Life, the Resurrection, and the Life Everlasting’: James J. Strang andStrangite Mormon Polygamy, 1849–1856.” Wisconsin Magazine of History 66, Sommer 1983, S. 274–291.

Morgan, Dale L. Bibliographies of the Lesser Mormon Churches. Salt Lake City, kein Datum.

Rich, Russel R. Those Who Would Be Leaders: Offshoots of Mormonism. Provo, Utah, 1959.

Shields, Steven L. Divergent Paths of the Restoration: A History of the Latter Day Saint Movement, 3. Auflage. Bountiful, Utah, 1982.

Van Noord, Roger W. King of Beaver Island: The Life and Assassination of James Jesse Strang. Urbana, Illinois, 1988.

Walker, Ronald W. “The Commencement of the Godbeite Protest: Another View.” Utah Historical Quarterly 42, Sommer 1974, S. 216–244.

Walker, Ronald W. “When the Spirits Did Abound: Nineteenth Century Utah’s Encounter withFree-Thought Radicalism.” Utah Historical Quarterly 50, Herbst 1982, S. 304–324.

MARTIN S. TANNER