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ABRAHAM

Nur wenige biblische Persönlichkeiten stechen im HLT-Glauben so hervor wie Abraham. Auch andere glauben, dass er eine echte Person ist, aber die HLT-Sicht ist einzigartig: Vom Propheten Joseph Smith empfangene Offenbarungen bestätigen die grundlegende Geschichtlichkeit vom Buch Genesis und fügen Informationen hinzu, die in altertümlichen Quellen widerhallen, von denen viele erst nach Joseph Smith ans Licht gekommen sind.

Das Buch Abraham, wie es von Joseph Smith wiederhergestellt worden ist, gibt eine autobiographische Erzählung von Abrahams frühem Lebens und erklärt, wieso er als der Hauptempfänger göttlicher Verheißungen zum Segen der Menschheit ausgewählt wurde. Er war nicht nur im vorirdischen Leben vorordiniert worden (Abr. 3:23; vgl. Apocalypse of Abraham 22:1-5), sondern als junger Mann im Lande Ur ging er gegen Götzenanbetung und Menschenopfer vor, was ihn ironischerweise zu einem geplanten Opfer machte (Abr. 1:5-20; vgl. Genesis Rabbah 38:13). Die Ironie verstärkt sich noch, als Gottes Rettung von Abraham im letzten Augenblick andeutete, was sich bei Abrahams Opferung Isaaks ereignen würde.

Nachdem Abraham Sarah geheiratet und über sein angeborenes Recht auf die patriarchalische Ordnung des Priestertums erfuhr, wie sie in den “Aufzeichnungen der Väter” (Abr. 1:2-4, 26, 31; 2:2; Jubilees 12:27; vgl.LuB 107:40-57) enthüllt wurde,  reiste er nach Haran, wo er anscheinend seine Ordinierung empfing (Abr. 2:9-11; WJS, S. 245, 303). Ihm erschien auch der Herr, der ihm erstaunliche Verheißungen machte: Abraham würde über alle Maßen gesegnet werden, seine Nachkommenschaft würde das Evangelium zu allen Nationen bringen und alle, die es empfingen, würden seinen Namen tragen, zu seiner Nachkommenschaft gezählt werden und ihn als ihren Vater segnen (Abr. 2:6-11; vgl. Gen. 12:1-3).

In Begleitung ihrer Bekehrten gingen Abraham und Sarah weiter nach Kanaan (Abr. 2:15; Genesis Rabbah 39:14). Eine Hungersnot trieb sie bald nach Ägypten, aber erst nachdem Gott Abraham geboten hatte, Sarah zu bitten, sich als seine Schwester auszugeben (Abr. 2:22-25; Genesis Apocryphon 19:14-21), und ihm eine Vision des Kosmos und der Schöpfung eröffnet hatte, so dass er die Ägypter diese Dinge lehren konnte (Abr. 3- 5; vgl. Sefer Yetsirah).

Die Erzählung des Buches Abraham endet hier, aber das letzte Faksimile (Nr. 3) des Buches stellt den Pharao dar–der gemäß Tradition ausschließlichen Anspruch auf den Besitz des Priestertums und des Königranges erhob (Abr. 1:25-27)–wie er Abrahams Priestertum ehrt, indem er ihm erlaubt, auf dem Thron zu sitzen und den Hof in Astronomie zu unterweisen (vgl. Pseudo-Eupolemus; Josephus, Antiquities 1.viii.2). Die Anerkennung von Abrahams Priestertum durch den Pharaoh war in allen anderen altertümlichen Quellen unbekannt bis zur Entdeckung des Genesis Apocryphon im Jahre 1947, welches, wie das Buch Abraham vorgibt, einen autobiographischen Bericht von Abraham enthält. Aber es setzt die Erzählung bis in Ägypten fort (Genesis Apocryphon 20:8-34): Als der Pharaoh Sarah zum Palast brachte, wandte Abraham sich weinend an Gott, welcher sie sofort schützte, indem er den Pharaoh leiden ließ. Die Bedrängnisse verschlimmerten sich, aber der Pharaoh träumte schließlich davon, dass Abraham ihn heilen würde. Der Patriarch wurde gerufen, der dem Pharaoh seine Hände auf das Haupt legte und ihm seine Gesundheit wiederherstellte. Dies stellt den einzig bekannten Fall einer Heilung durch Händeauflegen im Alten Testament oder in verwandten Pseudodepigraphen dar, und es schafft die Bedingungen für die Szene im Buch Abraham. Zusammen erklären diese zwei Quellen, wieso die Alten Abrahams Treffen mit dem Pharaoh als “ein entscheidendes Geschehnis in der Menschheitsgeschichte” ansahen (Nibley, 1981 [zitiert Wacholder], S. 63).

Aber es war Sarah, die sich dem schwierigsten Dilemma in Ägypten gegenüber sah: Falls sie sowohl Abrahams Bitte (indem sie Jungfernschaft vortäuschte) als auch ihre Ehegelübde ehrte, stünde sie dem sicheren Tod gegenüber. Die Alternative war, einfach ihre neue Rolle mit all ihrem Reichtum und Einfluss zu akzeptieren. Sarah setzte ihr Leben aufs Spiel, als sie ihre Treue bewies, und wurde–wie Abraham und Isaak–schließlich durch Gott gerettet. Ihr Opfer zeigt ihre Gleichberechtigung mit Abraham und ihre gegenseitige Abhängigkeit (CWHN 1:98; IE 73 [Apr. 1970]:79-95).

Spätere Ereignisse in Abrahams Leben werden von anderen HLT-Quellen erhellt. Als zum Beispiel Sarah, nach der Rückkehr nach Kanaan immer noch kinderlos war und Hagar,ihre Magd Abraham zur Frau gab (Gen. 16:1-3) diente sie dadurch “Abraham gemäß dem Gesetz”(LuB 132:65; siehe auch Vers 34). Das stimmt mit jetzt vorhandenen altertümlichen Quellen des Nahen Ostens überein, welche die gesetzlichen Pflichten einer kinderlosen Ehefrau beschreiben. Sarahs Handeln zeigt “ihre Liebe und Integrität ihrem Mann gegenüber” (JD 23:228), sagt ein HLT-Apostel, und war, sagt Philo, einer der “unzähligen Beweise” ihrer “Liebe als Ehefrau. ...Immerzu und überall war sie an seiner Seite seine wahre Partnerin im Leben und bei den verschiedenen Begebenheiten des Lebens, entschlossen sowohl das Gute als auch das Schlechte miteinander zu teilen” (On Abraham, S. xlii-xliii).

HLT-Quellen beschreiben außerdem, wie Abraham über Jesus Christus belehrt wurde (TPJS, S. 322-23), und zwar von Melchisedek. Er dient als Muster für Christus (ÜJS Gen. 14:26-36; Alma 13:17-19) und gab Abraham das Priestertum nach der Ordnung des Sohnes Gottes mit begleitenden Tempelverordnungen (siehe Melchisedekisches Priestertum; LuB 84:14; 107:2-4; vgl. Genesis Rabbah 43:6), welche Christus andeuten (Abraham, Faksimile 2; Alma 13:2, 16; vgl. Cave of Treasures [Budge], S. 148). Später schaute Abraham “voraus und sah das Kommen des Menschensohnes und war froh” (ÜJS Gen. 15:9-12; He. 8:17; Joh. 8:56).

Abrahams größte Prüfung–Isaak zu opfern–erinnerte an Abrahams frühere Erfahrung  und versinnbildlichte zugleich auch zukünftige Geschehnisse. Jahrhunderte vor Jesus deutete ein Prophet im Buch Mormon auf Abrahams Opferung von Isaak als “ein Sinnbild für Gott und seinen einziggezeugten Sohn” (Jakob 4:4-5)–wie es auch viele christliche Väter im Nachhinein tun würden. Abrahams Leben war somit ein Symbol für seinen vorrangigen Nachfahren Jesus, der, weil er auch der Sohn Gottes war, für Abraham und alle anderen sühnen konnte.

Abrahams Leben stellte auch das eines anderen Nachfahren im Voraus dar: Joseph Smith (LuB 132:30-31), dessen Gebet im Alter von vierzehn Jahren dem Gebet des jungen Abraham im selben Alter gleicht (Jubilees 11:16-17; JSLg 1:7-17). Beide Männer waren vorherordiniert worden. Beide empfingen das Priestertum, lehrten das Evangelium und stießen auf heftigen Widerstand. Beide sprachen von Angesicht zu Angesicht mit himmlischen Boten und mitGott selbst. Beide besaßen einen Urim und Thummim, übersetzten alte Aufzeichnungen und schrieben Schriften. Und beide gründeten eine einflussreiche Gemeinschaft von Heiligen.

Aber die Verbindung ist direkter. John Taylor berichtet, dass Abraham Joseph Smith besuchte (JD 20:174-75; 21:94).  Dessen Mission beinhaltete das Offenbaren verlorengegangener Kenntnisse bezüglich Abraham (vgl. 2 Ne. 3:7, 12) und dessen gesamtes geistliches Wirken der Wiederherstellung half Abrahams Bündnis zu erfüllen, nämlich dass durch seine Nachkommen alle Nationen gesegnet werden würden  (2 Ne. 29:14; 3 Ne. 20:27, 29). Ein zentraler Zweck jener Wiederherstellung ist es, Abrahams Verheißungen für seine Nachfahren wirksam zu machen.  Diese empfangen durch Tempelverordnungen die Segnungen Abrahams und können in einer Ahnenkette zurück bis zu Abraham und Adam gesiegelt werden (LuB 2; TPJS, S. 337-38).

Um die Herrlichkeit Abrahams zu erreichen, wird Heiligen der Letzten Tage geboten, zu Christus zu kommen, indem sie “die Werke Abrahams tun”, dessen Leben ein Muster darstellt (LuB 132:32; vgl. Jes. 51:1-2; John 8:39; Koran 16:120-23). Diese Werke beginnen mit der Taufe und dem Empfangen des Heiligen Geistes, woraufhin der Empfänger in Rechtschaffenheit vorwärtsstreben (2 Ne. 31:19-20) muss, wie Abraham es tat. Und zwar dadurch, dass man Gott gehorcht, die Priestertums- und Tempelverordnungen empfängt, Bündnisse in Ehren hält, eine Familieneinheit gründet, Kinder belehrt, heilige Aufzeichnungen führt, das Evangelium predigt und sich in Herausforderungen als treu erweist (Abr. 1-2; Gen. 12- 25). Fortschritte entlang diesem Pfad bringen eine vermehrte Identifikation mit Abraham und Sarah und die ihnen verheißenen Segnungen. Zum Beispiel wird jeder, der kein Nachfahre Abraham ist, aber den Heiligen Geist empfängt, zur Nachkommenschaft Abrahams gezählt(TPJS, S. 149-50; Abr. 2:10; vgl. Gal. 3:29), während jeder Mann, der sein melchisedikisches Priestertum gewissenhaft ausübt, ebenfalls ein Nachkomme Abrahams wird (LuB 84:33-34). Und jedem Ehepaar, das im Tempel für die Ewigkeit heiratet, werden die Segnungen der Nachkommen Abraham wie die Sterne des Himmels und der Sand der Strände verheißen, welches eine ewige Zunahme der Nachkommenschaft im celestialen Reich bedeutet (LuB132:30; JD 11:151-52; 15:320).

Solche Segnungen einer zahllosen Nachkommenschaft wurden Abraham zu verschiedenen Anlässen verheißen (Abr. 3:13-14; Gen. 13:16; 15:5; 17:2, 6), aber es geschah erst, nachdem er seine Bereitwilligkeit gezeigt hatte, Isaak als Opfer darzubringen, dass der Herr die Verheißungen erfüllte (Gen. 22:16-18). Das beweist, wie Joseph Smith erklärt, dass jede Person, die das ewige Leben erhalten möchte, “alles opfern muss” (TPJS, S. 322). Demzufolge muss das Volk des Herrn “geprüft werden, selbst wie Abraham”, um durch Abrahams Nachfahren, Christus, in Vorbereitung darauf geheiligt zu werden (LuB 101:4-5; Moro. 10:33), dass sie sich “im Königreich Gottes mit Abraham [und Sarah auf Thronen] hinsetzen” werden, um dieselben Segnungen der Erhöhung zu ererben, wie sie dieses vorbildliche Paar schon genießt (LuB 132:34-37; vgl. Testament of Isaac 2:5-7).

BIBLIOGRAPHIE

Kimball, Spencer W. “The Example of Abraham.” Ensign 6 (Juni 1975): 3-7.

Nibley, Hugh. “A New Look at the Pearl of Great Price.” IE 71-73 (Jan. 1968-Mai 1970), eine Serie von Artikeln über den Zeitraum von zwei Jahren.

Nibley, Hugh. Abraham in Egypt. Salt Lake City, 1981.

E. DOUGLAS CLARK